Zunächst eine erste, kurze Definition des Begriffs „Market Gardening“: Es handelt sich dabei um ressourcenschonenden Gemüseanbau auf kleiner Fläche, wobei das Gemüse direkt – also ohne Zwischenstationen – an die Konsumenten verkauft wird. Daher kommt auch der Name „Market Gardening“: Gemüse wird nicht für den Supermarkt, sondern für den hofeigenen „Markt“ produziert. Auf Deutsch spricht man manchmal auch von „Marktgärtnerei“.
Viel Gemüse auf kleiner Fläche – das klingt im ersten Moment nach viel Düngemitteleinsatz, aber im Gegenteil: Bei Market Gardening handelt es sich um biointensiven Gemüsebau, der ohne den Einsatz schwerer Maschinen wie Traktoren auskommt und teilweise mit sehr alten Arbeitstechniken betrieben wird. Das Prinzip stammt bereits aus dem 19. Jahrhundert, und zwar aus Frankreich. Seit der Kanadier Jean-Martin Fortier 2012 sein Buch „The Market Gardener“ veröffentlicht hat, erfreut es sich aber auch heute wieder größerer Beliebtheit.
Market Gardening funktioniert nach den regenerativen Prinzipien der Permakultur. Die Gemüsepflanzen werden dicht an dicht gepflanzt, um so möglichst viel Ertrag auf kleiner Fläche zu erzielen. Der Boden wird allerdings möglichst wenig bearbeitet. Für eine gute Bodenfruchtbarkeit sorgen Kompost oder organische Düngemittel, die regelmäßig auf der Fläche verteilt werden.
Weil Market Gardener ihren Gemüseanbau vorwiegend in Handarbeit betreiben, können sie eine Vielfalt an Sorten auf ihrer verhältnisweise kleinen Fläche anbauen. Typischerweise – daher auch der Name – verkaufen die Gärtner ihre Produkte zum Beispiel auf Bauern- oder Wochenmärkten. Sie bieten das Gemüse aber auch in Form von Solidarischer Landwirtschaft oder Bio-Abokisten an oder liefern an die regionale Gastronomie. All diese Formen haben gemein, dass es sich bei ihnen um Direktvermarktung handelt.
Zum einen wird die genutzte Fläche INTENSIV bewirtschaftet. So stehen zum Beispiel die Karotten, Spinat oder Rote Beete in viel engeren Pflanzabständen, als es sowohl im Hobbygarten als auch in der Landwirtschaftlich üblich ist. Durch die kurze Standweite beschatten die Pflanzen den Untergrund fast vollständig, wodurch es weniger Unkrautdruck gibt. Dadurch wiederum muss weniger Zeit für Jäten aufgewendet werden. Der Ertrag pro Beet hingegen ist deutlich höher. Das ist nur ein Beispiel für erprobte Methoden, um die Arbeit und Fläche gering zu halten, jedoch den Ertrag zu steigern. Ein weiteres Mittel sind die standardisierten Beetbreiten und darauf abgestimmte Werkzeuge, die helfen, viel Zeit einzusparen. Durch effiziente, gut strukturierte Beetplanung sind pro Beet mehrere Ernten im Jahr möglich.
Die Ertragssteigerung wird auch durch den BIO-Ansatz möglich gemacht. Die Beete sind immer als Dauerbeete angelegt, die nur sehr schonend bearbeitet werden, häufig gänzlich ohne Umgraben. Stattdessen wird viel mit Kompostgaben, natürlichem Dünger und Gründüngung gearbeitet. Der Kompost dient zusätzlich als schützende Mulchschicht. Werden Beete nicht bestellt, werden sie mit Folien und Vliesen abgedeckt. Es geht also darum, einen richtig guten Boden aufzubauen, der dann auch höhere Erträge liefert.
Unsere Gemüsegärtnerei erstreckt sich über zwei kompakte Standorte, die in Blöcke unterteilt und durch kurze Transportwege verbunden sind. Diese kleinstrukturierte Gestaltung ermöglicht es uns, die Gärtnerei effizient zu bewirtschaften. Um unsere Arbeitsabläufe zu optimieren, planen wir arbeitsintensive Kulturen gezielt im Zentrum unseres Hauptstandorts.
Als Marktgärtner sind wir viel zu Fuß unterwegs, weshalb kurze Wege für uns von großer Bedeutung sind. Diese durchdachte Anordnung der Flächen trägt nicht nur zur Effizienz bei, sondern erleichtert auch die tägliche Arbeit und sorgt dafür, dass wir die Pflege und Ernte unserer Kulturen möglichst ressourcenschonend durchführen können.
Wer unser frisches Gemüse und unsere Kräuter genießt, entdeckt ganz nebenbei die wahre Bedeutung von Saisonalität. Feldsalat gibt es bei uns ab Oktober, reife Tomaten frühestens ab Ende Juli, und die meisten Grünkohlsorten entfalten ihren vollen Geschmack erst nach dem ersten Frost. Für uns bedeutet das keinen Verzicht, sondern vielmehr die Möglichkeit, Gemüse und Kräuter mit optimalem Geschmack und höchstem Nährwert zu erleben.
Wer mehr über unsere Erntezeiten und die regionale Saisonalität erfahren möchte, findet unter „Inhalte unserer Erntekisten“ detaillierte Informationen zu den jeweiligen Erntefenstern.
Bereits seit dem zweiten Jahr umfasst unsere Gemüsegärtnerei beeindruckende 100 verschiedene Gemüse- und Kräutersorten. In den kommenden Jahren möchten wir unseren Fokus noch stärker auf alte und samenfeste Sorten legen, um die Vielfalt und Nachhaltigkeit weiter zu fördern.
Da wir uns nicht an der Transportfähigkeit unserer Produkte orientieren müssen, stehen bei uns Geschmack, Form und Farbe im Vordergrund. Schließlich spiegelt sich die Vielfalt auf dem Teller direkt in der Vielfalt auf dem Feld wider – ein Prinzip, das wir mit Leidenschaft verfolgen.
Von Beginn an haben wir uns bewusst gegen eine Zertifizierung entschieden. Zum einen, weil unsere Kunden uns persönlich kennen und jederzeit selbst erleben können, wie wir nachhaltig und respektvoll mit unseren Feldern und Kulturen umgehen. Zum anderen, weil wir der Meinung sind, dass unsere Standards in vielerlei Hinsicht über die üblichen Vorgaben hinausgehen.
Unsere Arbeitsweise orientiert sich an einer noch intensiveren Zusammenarbeit mit der Natur. Dazu gehören die Reduzierung von Umgraben und Bodenbewegungen, der Einsatz von Gründüngung zur dauerhaften Ernährung der Bodenorganismen und die Vermeidung von Bodenverdichtung durch den Verzicht auf schwere Maschinen. Durch eine sorgfältige und abwechslungsreiche Fruchtfolgeplanung sorgen wir zudem für eine gleichmäßige, gesunde Bodennutzung. Dieses ganzheitliche Vorgehen trägt nicht nur zur Qualität unserer Produkte bei, sondern unterstützt auch langfristig die Bodenfruchtbarkeit und ökologische Balance.
Hier geht es um Dauerbeete, die auf Grund der Handarbeit intensiver und lückenlos belegt werden können, sowie um das Schließen von Jahreslücken. Ob es um eine Mischkultur von Salat + Lauch + Fenchel + Mangold geht, um unterschiedliche Wachstumszeiten zu nützen, oder um das Auspflanzen von Paprika, während die letzten Spinatpflanzen noch stehen, ermöglicht diese Praxis einen höheren Ertrag pro Quadratmeter ohne die Ressourcen (Mensch, Boden, Umwelt) auszubeuten.
Market Gardening ist mit wenigen einfachen Werkzeugen und Materialien nicht nur machbar, sondern effizient. Das reduziert die finanzielle Belastung am Beginn und auf Dauer. Bereits nach unserem ersten Jahr sehen wir, dass wir im Grunde bloß drei Werkzeuge (Rechen, Pendelhacke, unsere Hände) regelmäßig brauchen. Die Hauptinvestition am Beginn ist Kompost, um Beete anzulegen. Danach werden noch Vlies für Saisonverlängerung, Rank-Hilfen für Tomaten, Gurken und ähnliches benötigt. Folientunnel sind notwendig, da uns diese einfachen, relativ kostengünstigen Strukturen die Saisonverlängerung und Winterernte über Grünkohl hinaus sowie einen sicheren Ertrag bei Tomaten im Sommer ermöglichen. Sie sind nicht beheizt und somit emissionsfrei, was die Energiebilanz begünstigt und den ökologischen Fußabdruck mindert. Sämtliche Infrastruktur, von der Waschstation und dem Stützsystem in den Tunneln bis hin zur Packstation versuchen wir aus vorhandenen Materialien zu errichten. Wir sind auch stolz darauf, dass wir keinerlei Subventionen bekommen. Der Betrieb muss wie jeder anderer eigenständig stabil und erfolgreich sein.
Market Garden als englischer Begriff stellt die Verbindung zwischen dem Gemüsebauer und der Direktvermarktung dar: Man gärtnert für den Direktverkauf am Markt. Auch wenn wir anfangs erst lernen mussten, dass die zeitlichen Ressourcen für einen Stand am Wochen- oder Monatsmarkt schlechthin noch nicht zur Verfügung stehen, verkaufen wir ausschließlich direkt an Konsumenten, ob Privatpersonen oder Restaurants. Uns sind die Beziehungen zu unseren Kunden sehr wichtig und unsere Begegnungen immer eine Bereicherung. Wir kennen uns und alle sind jederzeit in der Gemüsegärtnerei herzlich willkommen.
Die Vorteile von Market Gardening liegen nicht nur in der nachhaltigen, umweltfreundlichen Bewirtschaftung, sondern auch in der Wirtschaftlichkeit der Anbauweise. Deshalb bezeichnet die Agrarwissenschaftlerin Dr. Dorothée Dreher, stellvertretende Vorsitzende der Stiftung Lebensraum, Market Gardening auch als Zukunftsmodell für unsere Landwirtschaft.
Auch soziale Aspekte bringt das Market Gardening mit sich: Der Kontakt zu den Kunden ist viel enger, die gärtnerische Tätigkeit bringt Zufriedenheit und das Gefühl einer sinnstiftenden Tätigkeit mit sich, die dem Wohl des Planeten dient.
Letztendlich ist der Gedanke hinter Market Gardening relativ simpel: Wie produzieren wir Lebensmittel, sodass alle glücklich sind – die Natur, die Landwirte und die Verbraucher? Zusammengefasst geht es also um das gute Leben für uns alle.